Hallo,
ich kann mal versuchen, für etwas Perspektive zu sorgen.
Das grundlegende Problem ist, wie so oft: Der Taxonomie mangelt es an Geld.
Und weil es wenig Geld für taxonomische Arbeiten gibt, wollen nur wenige Menschen Taxonomen werden.
Der "Wert" eines Wissenschaftlers und seiner Erkenntnisse wird heutzutage leider fast ausschließlich am sogenannten Impact Factor gemessen: Wer veröffentlicht die meisten Artikel in einer angesehenen Fachzeitschrift, und wird danach am meisten von anderen Wissenschaftlern in deren eigenen Veröffentlichungen zitiert?
Wer viel in einer Zeitschrift mit hohem Impact Factor publiziert, bringt der Institution, der er oder sie angehört, viel Prestige, was mehr Geld für die Institution (z.B. durch staatliche oder private Mittel) bedeutet, was mehr Fördermittel für den Wissenschaftler bedeutet.
Taxonomen veröffentlichen oft nicht in Fachzeitschriften, sondern in Monografien. Die Erwähnung einer Monografie wird aber nicht als Zitat gewertet. Deshalb haben Taxonomen oft keinen hohen Citation Index, deshalb wird ihre Arbeit als Minderwertig angesehen, deshalb bekommen sie wenig Fördermittel, deshalb können sie es sich nicht leisten, die Veröffentlichungsgebühren einer angesehenen Fachzeitschrift zu bezahlen, deshalb bleibt der Nachwuchs aus... Naja, ein klassischer Teufelskreis eben.
Wenn der Taxonom dann vor der Wahl steht, ob er eine Veröffentlichung über einen Tausendfüßer erstellen soll, der irgendwo in Indonesien durch den Wald krabbelt, oder eine Veröffentlichung über eine eingeschleppte Spinnmilbe, die dabei ist Ernteausfälle in Millionenhöhe zu verursachen, wird er die Spinnmilbe wählen um an Zitationen und damit an Geld zu kommen.
Was kostet jetzt alles Geld für eine taxonomische Beschreibung einer Art?
Neben den Kosten für die langjährige Ausbildung und anschließend den Kosten für das Grundgehalt des Taxonomen wären das zum Beispiel:
-Reisekosten, um überhaupt einmal zu einem Museum oder in eine bestimmte Region der Welt zu gelangen
-Die Unterhaltskosten vor Ort für Lebensmittel, Träger, Führer, Transportmittel
-Kosten für Ausrüstung: Mikroskope, geeignetes Sezierbesteck, Sammelbehäter, Konservierungsmittel, etc.
-Das Gehalt für eine Person, welche die notwendigen Detailzeichnungen der neuen Art anfertigt
-Kosten für Lagerung und dauerhafte Konservierung der Typusexemplare
-Publikationsgebühren...
Da kommen schnell viele tausend Euro zusammen, wenn man eine neue Art beschreiben möchte.
Das muss irgendwer bezahlen. Und die Universitäten, Institute und Forschungseinrichtungen, die es eigentlich tun sollten, machen dies eben nur eingeschränkt. Deshalb ist es kein Wunder, wenn neu beschriebene Arten wie Geosesarma hagen oder G. dennerle dann nach bekannten Aquaristikfirmen benannt werden, weil es eben diese privaten Firmen sind, welche die Neubeschreibung gesponsort haben.
Die derzeitigen Kapazitäten der aktiven Taxonomen reichen aus, um im Durchschnitt 16.000 neue Arten pro Jahr zu beschreiben. Bei vermuteten 5 bis 6 Millionen noch unentdeckter Arten müssen wir uns also noch einige hundert Jahre gedulden, bis die komplette Biodiversität beschrieben ist. Möglicherweise müssen wir uns also noch sehr lange mit spec. 1, "Schwarzfuß" und "Ringelsocke" behelfen...
Beste Grüße,
Erik
Zum Lesen:
Are We Losing the Science of Taxonomy? As need grows, numbers and training are failing to keep up.
http://bioscience.oxfordjournals.org/content/61/12/942.full
The cost of describing the entire animal Kingdom
https://www.researchgate.net/publication/49…_animal_Kingdom