Heute mal wieder was von der pathologischen Front, diesmal über einen interessanten Fall, der auch eine Geschichte erzählt. Nun sind meine Fallbeschreibungen normalerweise nicht in epischer Breite gehalten, auch um nicht das Klischee vom Pathologen als postmortalem Klugscheißer zu bedienen...
Also, es geht um eine Gigas-Dame, die auf dem Höhepunkt ihrer körperlichen Entwicklung von einem einheimischen Sammler in der tansanischen Savanne aufgepickt wird. Sie landet in einem alten Sack aus Kunstfasern. Darin bleibt sie ein paar Tage, bis sie dann in der Sammelstelle in einer Tonne landet, auch hier, mit vielen anderen Artgenossen, passiert nichts, keine Nahrungs oder Flüssigkeitsaufnahme möglich. Der Stoffwechsel fährt runter. Dann gehts per Flugzeug nach Frankfurt, zum Großhändler, wieder nichts mit Nahrung oder Flüssigkeit. Auf der Frankfurter Börse liegt sie dann mit 20 anderen auf Torf in der Auslage. Eine Frau aus dem Forum sieht die grosse Gigas-Dame, kauft sie für 10 Euro und setzt sie in ihr vorbildliches Füsser-Terra, aber das Tier frißt kaum, drei Tage später ist es tot. Damit endet die Lebensgeschichte dieses Tieres, das eigentlich noch viel vorhatte...
Gut, bei der Sektion habe ich anhand der Befunde diese Geschichte rekonstruieren können.
Bild 1 zeigt die Einzelteile des Tiere, wegen der schnellen Fixierung in Einzelteile zerschnitten. Angezeichnet habe ich den Darm, ihr könnt sehen, dass das Volumen auf weiten Teilen gegen Null geht, ein Gigas-Darm sollte bei einem solchen Tier mindestens mal einen Durchmesser von einem Bleistift haben und kontinuierlich mit Inhalt gefüllt sein. Bild 2 zeigt Darminhaltsreste, Fasern, angezeichnet die Kunststoff-Fasern aus dem imaginären Sammelsack. Der Blick in die Körperhöhle zeigt überall auskristallisierte Harnsäure, das sind Gichtnadeln, das Tier war völlig ausgetrocknet, der Stoffwechsel zur Ausscheidung über die Malphigischen Gefäße funktionierte nicht mehr. Das nächste Bild zeigt die Malphigischen Gefäße, voll mit Konkrementen, eine andere Zustandsform der Harnsäure. Und zum Schluß noch ein mikroskopisches Bild von den Nahrungsresten im Vorderdarm, da war ich gefordert, bis ich die besonderen Stärkekörner und die Haare zur Identifikation gefunden habe, das ist Hafer, die Besitzerin wollte den Gigas wahrscheinlich päppeln, mit Haferflockenpampe, gut gemeint, aber zu spät...
So, das wars, ich hoffe, die Bildchen interessieren euch.
Gruß aus Oberhessen, K.
Gigas - eine Leidensgeschichte
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Eine traurige "Geschichte" - aber leider real und wohl nicht mal die sprichwörtliche "Spitze des Eisbergs", will mir nicht vorstellen müssen wieviel anderes Tierleid durch Menschen verursacht wird.
Deshalb ist der Handel mit Tieren/Tierprodukten eine sehr heikle Angelegenheit, und bevor ich mich in irgendeiner weise mitverantwortlich für jegliches leid mache, will ich derlei Handel auch nicht fördern, und schau mir lieber die heimischen Tiere im angestammten Lebensraum an.
Bitte das nicht als Vorwurf an verantwortungsvolle Tausi-Halter und Züchter falsch zu verstehen, dagegen hab ich freilich keine einwände! -
Mal wieder ein klasse bericht und klasse bilder zu einem leider nicht ganz so tollen thema, mein beileid an die halterin.
Noch ne kurze Nachfrage, da kam ich nicht ganz mit, was ist das rote auf Bild 3, bzw das obere rote auf Bild 5?
LG Ben -
Ja Ben, auf dem Bild 3 geht es um den völlig leeren zusammengedrückten Darmkanal und auf dem letzten Bild geht es um die Haare der Haferspelzen, ein fitter Phytopathologe oder Botaniker hätte das sofort erkannt, dass es Haare vom Hafer sind, ich musste mir das erarbeiten, zumindest weiß ich jetzt, wie man die Haare von Hafer, Gerste, Roggen und Weizen histologisch unterscheiden kann...
Gruß K. -
Was man auf solchen Aufnahmen immer erkennen kann, wenn man das passende Wissen besitzt
Danke für die Aufklärung Klaus, mach weiter so
LG -
- Official Post
Hallo Klaus,
das ist doch schön, dass du das was wir immer als Risiko beim A.gigas-Kauf erzählen, mal real untermauern konntest.
Da haben wir einen schönen Verweis-Thread mehr in der Sammlung.