Wissenschaftliche Namen hin oder her....

  • Da die wissenschaftlichen Namen hier gerade ein Thema sind, habe ich mal eine Frage an alle, die auch andere Tierarten halten:

    Ist es woanders auch so extrem, dass die Tiere nicht oder falsch bestimmt sind? Wie ist das bei Käfern, Spinnen, Skorpionen, Fröschen & co?
    Im Berliner Ameisenladen (antstore) habe ich nirgendwo gelesen : blaukarierte Ameise aus Honolulu. Zumindest dort standen immer lateinische Namen dran... - ob die allerdings immer stimmten, weiß ich natürlich nicht. In Inseraten und auch so im Internet habe ich das Gefühl, dass es bei Tausendfüßern besonders schlimm ist mit der Angabe richtiger Namen. Als Laie dachte ich, dass es doch heute nicht mehr so schlimm sein kann, die Tiere zu bestimmen und dann auch die richtigen Namen zum Beispiel über so ein Forum wie hier zu verbreiten.

    Was sagen die Experten? Besteht doch nicht so viel Interesse an Aufklärung? Gerade hier über das Forum würde man doch an viel Material kommen. Ich weiß, man kann Peter was schicken, aber es ist auch nicht so, dass man sich um männliche Tier reißt - oder bin ich da falsch informiert?

    Da mir diese Angelegenheit schon eine Weile auf den Nägeln brennt, hoffe ich auf viele erhellende Antworten.

    Lieben Gruß Karola


  • Grüß Gott, Karola!

    Bei Krebsen und Garnelen im Süßwasser ist es noch schlimmer!
    Letztes Jahr und dieses Jahr haben wenigstens einige Krebse
    der Gattung Cherax aus Neuguinea, einem Brennpunkt der
    krebsischen Artenvielfalt,vollgültige wissenschaftliche Namen erhalten,
    was das Leben mittelfristig erleichtern wird.

    Bei den Garnelen sieht es besonders verwirrend aus, aus den nun folgenden Gründen:

    1.) Die tolle EU erlaubt anscheinend den Import von Aquarientieren unter welcher Bezeichnung auch immer! Diese Tiere kommen in der Natur häufig in China und Taiwan vor, und werden dort in allen Variationen
    in riesigen Tanks gezüchtet. Weder die Garnelenfänger noch die Züchter in Asien sind besonders auskunftsfreudig , die genaue Herkunft betreffend. Und einige Händler in Europa tragen noch das Ihrige zur Verwirrung bei, indem sie verkaufsfördernde Namen erfinden, wie King-Kong-Garnele oder Panda-Garnele....

    2.) Dazu kommt: Manche Garnelenarten vermischen sich leicht untereinander, noch viel mehr Garnelenarten aber sind im Phänotyp sehr variabel.
    Und in der Folge sind durch Selektionszucht sowohl in Ostasien wie in Europa von ein -und derselben Art sehr unterschiedliche Erscheinungen erschienen, sogenannte Hochzuchten.
    Und die werden immer mehr! Eine der Folgen: Die Garnele um 2 Euro und die Garnele um € 1.500,- gehören zur gleichen Art, und auch ihr Verhalten ist gleich. Das Aussehen allerdings nicht!

    In der Wissenschaft behilft man sich über Jahre hinweg mit einem cf. (=conferre, schaut aus wie..) zwischen Gattungs-und Artnamen.
    In der Garnelenzüchterszene gibt es in Deutschland-Österreich ist da nur ein Anhängsel-einige Leithammeln, die bei Neuzüchtungen aus bekannten Arten frei Namen vergeben,
    die von den anderen Garnelenfreunden übernommen werden. Namen übrigens in einer EU-Sprache,
    die bald nur mehr von 5 Millionen Bürgern gesprochen werden wird... ;)

    Warum aber in beiden Bereichen Provisorien über Jahre und Jahrzehnte mitgeschleppt werden, statt daß ausgewiesene Kapazunder sich auf ihre
    4 Buchstaben setzen und halt einmal das wissenschaftliche Ritual der Beschreibung nach den Regeln der Kunst durchzuführen,
    zählt für mich mit zu den größten Rätseln der Wissenschaft! Zumal einige dieser Arten bei uns in Mitteleuropa
    schon seit langem problemlos gehalten und nachgezüchtet werden.

    In diesem Sinne!
    Glück auf und Masel tov!

    Erwin aus Graz-Andritz!
    Ja,ja, die Welt IST voller Rätsel!
    :?:

  • Das war doch schon mal sehr interessant.
    Wie ist es bei Spinnen oder Käfern?
    Gibt es denn hier im Forum auch solche Experten, die wir gerade ein bisschen "anprangern"? Die die Möglichkeit haben oder hätten, die Bestimmung voran zu treiben?
    Was sagen die dazu? Geht es nicht? Darf man nicht? Will man nicht?

    Mich interessiert das wirklich!

    Lieben Gruß Karola

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Karola,
    um die Bestimmung von Diplopoden hat sich in diesem Forum vor allem Peter (millipeter) gekümmert.
    Er hat eine umfangreiche Gonopodensammlung angelegt, da er so ziemlich alle Arten auch selbst (mindestens temporär) gehalten hat.

    Da er heute eben auch zur arbeitenden Bevölkerung zählt und neben seinen Forschungsprojekten sehr viel weniger Zeit für sein Hobby hat, kann er eben auch nur selten hier vorbei schauen und sich vor allem auch nicht mehr um die zeitraubenden Bestimmungen kümmern.

    Die Bestimmung bis zur Familie kann man meist anhand des Bestimmungsschlüssels vornehmen. Man braucht dafür die Seitenansicht des Collum und des Telson, aber das weißt du ja.
    Für die Bestimmung bis zur Gattung oder gar zur Art braucht es eine Menge Literatur über die im Herkunftsgebiet (meist unsicher) beschriebenen Arten. Und wenn man sie nicht findet, kann es immer noch sein, dass sie wo anders beschrieben sind.

    Sicher zu bestimmen sind die Arten eigentlich nur über die Gonopodenform, was voraus setzt, dass sie auch irgendwo beschrieben sind.

    Die Haltung von Diplopoden ist erst in den letzten Jahren mehr und mehr in Mode gekommen und so sind die Tiere für die Importeure und Exporteure in den Herkunftsländern interessant geworden. Daraus folgen jede Menge Neuimporte, von denen wir das Herkunftsgebiet nicht kennen und deren Fantasienamen meist auf andere Arten hin weisen, oder vom Klang her schon verkaufsfördernd sein sollen.

    Diplopoden gehörten auch, bedingt durch ihr meist verstecktes Leben, nie zu den bevorzugten Sammlungstieren der Reisenden des 19. Jahrhunderts.
    Da waren Spinnen, Käfer und Schmetterlinge attraktiver und auch leichter zu bestimmen.

  • Hallo Sol!

    Als Experten meine ich ja auch die, die sich dienstlich damit befassen - ich will niemandem seine Freizeit vorschreiben. Es gibt ja nun nicht so viele Tausendfüßer-Foren, da habe ich schon gedacht, dass sich Leute, die damit arbeiten, hier auch mal Anregung, Ideen oder neue Tausis holen. Oder beschreibt jeder nur, was er selbst gesammelt hat?
    Na, ich merke schon. Es ist wohl nicht das interessanteste Thema. Schade eigentlich. Dabei wäre vieles einfacher, wenn man sich an eindeutige Namen halten kann.
    Ist jedenfalls meine Meinung.
    Trotzdem sind die Tausis niedlich, süß, interessant... und, und, und.

    Lieben Gruß Karola

  • Hallo,

    ich kann mal versuchen, für etwas Perspektive zu sorgen.

    Das grundlegende Problem ist, wie so oft: Der Taxonomie mangelt es an Geld.

    Und weil es wenig Geld für taxonomische Arbeiten gibt, wollen nur wenige Menschen Taxonomen werden.

    Der "Wert" eines Wissenschaftlers und seiner Erkenntnisse wird heutzutage leider fast ausschließlich am sogenannten Impact Factor gemessen: Wer veröffentlicht die meisten Artikel in einer angesehenen Fachzeitschrift, und wird danach am meisten von anderen Wissenschaftlern in deren eigenen Veröffentlichungen zitiert?
    Wer viel in einer Zeitschrift mit hohem Impact Factor publiziert, bringt der Institution, der er oder sie angehört, viel Prestige, was mehr Geld für die Institution (z.B. durch staatliche oder private Mittel) bedeutet, was mehr Fördermittel für den Wissenschaftler bedeutet.

    Taxonomen veröffentlichen oft nicht in Fachzeitschriften, sondern in Monografien. Die Erwähnung einer Monografie wird aber nicht als Zitat gewertet. Deshalb haben Taxonomen oft keinen hohen Citation Index, deshalb wird ihre Arbeit als Minderwertig angesehen, deshalb bekommen sie wenig Fördermittel, deshalb können sie es sich nicht leisten, die Veröffentlichungsgebühren einer angesehenen Fachzeitschrift zu bezahlen, deshalb bleibt der Nachwuchs aus... Naja, ein klassischer Teufelskreis eben.

    Wenn der Taxonom dann vor der Wahl steht, ob er eine Veröffentlichung über einen Tausendfüßer erstellen soll, der irgendwo in Indonesien durch den Wald krabbelt, oder eine Veröffentlichung über eine eingeschleppte Spinnmilbe, die dabei ist Ernteausfälle in Millionenhöhe zu verursachen, wird er die Spinnmilbe wählen um an Zitationen und damit an Geld zu kommen.

    Was kostet jetzt alles Geld für eine taxonomische Beschreibung einer Art?

    Neben den Kosten für die langjährige Ausbildung und anschließend den Kosten für das Grundgehalt des Taxonomen wären das zum Beispiel:

    -Reisekosten, um überhaupt einmal zu einem Museum oder in eine bestimmte Region der Welt zu gelangen

    -Die Unterhaltskosten vor Ort für Lebensmittel, Träger, Führer, Transportmittel

    -Kosten für Ausrüstung: Mikroskope, geeignetes Sezierbesteck, Sammelbehäter, Konservierungsmittel, etc.

    -Das Gehalt für eine Person, welche die notwendigen Detailzeichnungen der neuen Art anfertigt

    -Kosten für Lagerung und dauerhafte Konservierung der Typusexemplare

    -Publikationsgebühren...

    Da kommen schnell viele tausend Euro zusammen, wenn man eine neue Art beschreiben möchte.

    Das muss irgendwer bezahlen. Und die Universitäten, Institute und Forschungseinrichtungen, die es eigentlich tun sollten, machen dies eben nur eingeschränkt. Deshalb ist es kein Wunder, wenn neu beschriebene Arten wie Geosesarma hagen oder G. dennerle dann nach bekannten Aquaristikfirmen benannt werden, weil es eben diese privaten Firmen sind, welche die Neubeschreibung gesponsort haben.

    Die derzeitigen Kapazitäten der aktiven Taxonomen reichen aus, um im Durchschnitt 16.000 neue Arten pro Jahr zu beschreiben. Bei vermuteten 5 bis 6 Millionen noch unentdeckter Arten müssen wir uns also noch einige hundert Jahre gedulden, bis die komplette Biodiversität beschrieben ist. Möglicherweise müssen wir uns also noch sehr lange mit spec. 1, "Schwarzfuß" und "Ringelsocke" behelfen...

    Beste Grüße,

    Erik

    Zum Lesen:

    Are We Losing the Science of Taxonomy? As need grows, numbers and training are failing to keep up.
    http://bioscience.oxfordjournals.org/content/61/12/942.full

    The cost of describing the entire animal Kingdom
    https://www.researchgate.net/publication/49…_animal_Kingdom

  • Super!
    Das ist zwar nicht, was ich hören (lesen) wollte, aber sehr interessant.
    Ich habe wirklich gedacht, dass es auch eine Art Desinteresse ist. Vielen Dank, dass Du Dir so viel Mühe gegeben hast, das mal ausführlich zu erörtern. Dann kann ich mich also weiter ärgern, weiß nun aber, dass es leider erst mal nicht anders geht.
    Bist Du denn auch ein "Betroffener"?

    Lieben Gruß Karola

  • Andere gute Beispiele aus der Tierhaltung sind wohl die Phasmiden oder die "L-Welse".

    Tausendfüßer in der Terraristik:

    Hauptproblem Nr. 1 für den Mangel an "richtigen" wissenschaftlichen Namen bei den Tausendfüßern in der Terraristik ist der Mangel an Totmaterial für die Bestimmung anhand der Gonopoden. Fotos sind, außer bei genauer Herkunft für bereits bekannte Arten, meist nicht möglich. Eine richtige Bestimmung der importierten oder in Haltung befindlichen Arten erfolgt in fast allen Fällen, sei es bei Fischen, Garnelen, Vogelspinnen, Reptilien etc., durch die genaue Untersuchung (Mikroskop etc.) und dem Abgleich von wissenschaftlicher Literatur. Erst durch die Etablierung im Handel und durch laienfreundliche Bücher haben sich diese Namen gefestigt und sind dadurch vermeintlich einfacher zu bestimmen.

    Wie schon so oft gesagt übernehme ich gerne die Bestimmung bei Zusendung. Früher habe ich halt auch von einigen Händlern und Importeuren (die es heute teilweise nicht mehr gibt) kostenlos Tiere für die Bestimmung erhalten. Momentan bin ich hauptsächlich auf euch angewiesen.

    Wenn andere Leute bzw. Händler "falsche" wissenschaftliche Namen benutzen, meist aus Unwissenheit oder um den Verkauf zu fördern ist das nicht gut. Zumindest in Deutschland ist das wohl nicht mehr so schlimm.

    Meine bisherige Erfahrung ist, dass der Großteil der im importierten Arten bereits schon beschrieben sind. Liegt daran, dass in den Handel meist nur die großen, bunten, auf der Oberfläche aktiven und weitverbreitenden Arten aus gut zugänglichen Regionen (z.B. nahe einer großen Stadt) bereits beschreiben sind. Also die auch historsich bei den alten großen europäischen Expeditionen besammelten Gebiete. Meist sind also eher die kleineren (z.B. kleiner <1 cm), versteckt lebenden und/oder nur in einem eng begrenzten oder abgelegenen (nicht terraristisch erschlossenen) Gebieten vorkommenden Arten noch nicht beschrieben.

    Tausendfüßer in der Wissenschaft:

    Etwa 13.000 Arten an Tausendfßern sind bisher weltweit bekannt und mit min. 25.000 Arten wird gerechnet, vielleicht auch 40.000. Es gibt weltweit ca. 50-100 Taxonomen für Tausendfüßer, viele von denen beschreiben nicht neue Arten "wie am Fließband", sondern beschäftigen sich auch oder großteils mit anderen (ökologischen/faunistischen) Fragestellungen oder Tiergruppen. Die Sammlungen der Museen weltweit beherbergen allein schon genug Material von 1800 bis heute für die Beschreibung von tausenden Arten. Im Idealfall sind natürlich Exkursionen und Expeditionen eine sehr schöne Sache, da sie mehr Daten liefern, da mehr Individuen, genauer Fundort, man weiß wie das Tier lebend aussieht, man erfährt etwas zur Ökologie, frische DNA Proben für genetische Untersuchungen hat, Beschreibung der Variabilität (Färbung, Körper etc.) und vieles mehr. Dafür sind oft nicht so viele Gelder vorhanden. Material beschreiben aus Sammlungsmaterial (kann man sich meist kostenlos zuschicken lassen) ist günstiger und spottbillig im Vergleich zu z.B. den Kosten, allein nur für Substanzen und Verbrauchsmaterial, für medizinische Laborforschungsarbeiten (bei meiner Diplomarbeit in der Immunologie waren das allein ca. 500-700 Euro pro Woche!!!).

    Aber auf dem Feld der Taxonomie wird auch nach Lösungen gesucht, wie man schneller und besser Arten beschreiben kann.

    Beste Grüße,
    Peter

  • Hallo Peter!

    "Hauptproblem Nr. 1 für den Mangel an "richtigen" wissenschaftlichen Namen bei den Tausendfüßern in der Terraristik ist der Mangel an Totmaterial..."
    Wenn ich mal davon ausgehe, dass die ganzen Spirostreptiden mit Nummern noch keine richtigen Namen haben, kann es doch aber nicht am fehlenden Totmaterial liegen. Davon gibt es doch hier im Forum genug. Ich denke - zum Beispiel - an die wirklich viel verbreiteten Spirostr. spec. 1. Die hat ja fast jeder, man wird ja noch nicht mal den Nachwuchs richtig los. Warum hat dieser Wurm noch keinen richtigen Namen? Oder Centrobolus spec. Mosambik: den haben auch viele. Woran hapert es denn nun wirklich?
    Habe ich da doch Denkfehler?

    Lieben Gruß Karola

  • Ich greife noch mal dieses Thema auf:

    Da sich Millipeter ja nicht mehr meldet - gibt es denn jemanden, der auch Tausis bestimmen kann und auch will? Bin eigentlich immer wieder verblüfft, dass dieses Forum wohl nicht von den Experten "ausgebeutet" wird.

    LG Karola

  • Liebe Karola,
    die Experten haben meist schon 50-100 unbeschriebene Arten rumliegen, genug Arbeit für die nächsten 10 Jahre. Es gibt auch zu wenige an Myriapoda interessierte Studenten um diese zu beschreiben. Das ist bei Fröschen und FIschen ganz anders! Wenn Studenten in ihrer Abschlussarbeit Centrobolus sp. Mosambik beschreiben wird es auch nicht einfacher für diese nachher einen Job zu bekommen.

    Nehmen wir den Centrobolus sp. Mosambik einmal als BEispiel. Klar, Männchen sind hier kein Problem. Das Problem ist allerdings, dass es wenige beschriebene Centrobolus-Arten aus Mosambik gäbe, eventuell aber auch Arten aus Südafrika dort auftreten könnten. Einige dieser sind nur von Weibchen beschrieben, fast zu 100% aus altem Museumsmaterial deren Farben verblasst sind.
    So, gehen wir jetzt die Arbeitsschritte durch: Die Gonopoden passen zu keiner Abbildung. Jetzt müsste man die Tiere der Arten ohne bekannte Abbildung ausleihen und deren BEine beschreiben. Diese liegen in Museen. Die Museen in Paris, London, Wien leihen alte, historisch wichtige Typen nichtmehr aus. D.h. man muss diese Museen besuchen. Das kostet viel Geld und Zeit, und am Ende ist es doch eine Art die anhand eines Weibchens beschrieben wurde, d.h. die Reise(n) haben nicht weitergeholfen.
    Der Alptraum eines Taxonomen ist es eine Art als neu zu beschreiben die dann doch schon einen Namen hat.

    Dann geht es um die Priorität der Arbeit:
    Man beschreibt erstmal Arten aus Gruppen deren bekannte Arten man schon alle gesehen hat, das geht dann viel schneller.
    Dann beschreibt man Arten die für weitergehende Fragestellungen wichtig sind: D.h. Verbreitungsgebiete, historische Biogeographie, - dafür gibt es noch Forschungsmittel.
    Dann beschreibt man Arten die für andere FOrscher, zB Studenten oder DOktoranden sehr wichtig sind.
    Dann wiederum beschreibt man Arten die vermutlich sehr bedroht sind. ZB Arten die nur in einer Höhle vorkommen welche durch ein BErgbauprojekt bedroht ist. Die Höhle wird nur geschützt wenn aus dieser Arten beschrieben wurden die nur dort vorkommen...

    Man muss sich nämlich regelmäßig rechtfertigen, vor seinem Chef, Geldgebern usw. Einer in der Terraristik vielleicht von 15 LEuten gehaltenen Art einen Namen zu geben ist da ganz unten und überzeugt niemanden.

    Arten aus der Terraristik, teilweise ohne bekanntes HErrkunftsland (Biogeographisch wertlos), vermutlich weit verbreitet (nicht dringend auf Schutz angewiesen), sind dann von der Priorität her ganz unten. D.h. wenn man sie anhand der Literatur oder Erfahrung bestimmen kann, gut. ABer spezielle teuere Forschungsreisen macht man erstmal nicht, dafür gibt es dringendere Themen. Die Arten kommen dann auf eine ziemlich lange Liste, d.h. wenn man eh mal am Museum in Paris ist und man hat etwas ZEit über, dann schaut man sich auch deren Centrobolus an, usw.

    Kurz gesagt, anders als in vielen Tiergruppen gibt es bei Tausendfüßern keinen Mangel an unbeschriebenen Arten, sondern an Bearbeitern.

    Viele Grüße
    -Thomas

  • Lieber Thomas!

    Da widersprechen sich doch aber die Wissenschaftler. Ich gehe mal davon aus, dass Du der Thomas bist, den ich mal wegen der angeblichen Colossobolus-Arten angeschrieben habe, da du welche beschrieben hast. Also bist du ein Wissenschaftler. Millipeter ist wohl auch einer und der schreibt in seiner Antwort hier im Thread am 19.10.16 Hauptproblem Nr. 1 für den Mangel an "richtigen" wissenschaftlichen Namen bei den Tausendfüßern in der Terraristik ist der Mangel an Totmaterial.
    Wer von euch hat nun Recht? Ich will ja nicht, dass Ihr Euch haut. Ich habe einfach nur gehofft, dass vielleicht durch hin-und-wieder-nerven meinerseits mal jemand auf diese eigentlich tolle Quelle des Forums aufmerksam wird.
    Ich vermute ja (als totaler Laie), dass eben schon eine Menge Tiere bestimmt sind und man somit die bestimmt veröffentlichten Gonopoden vergleichen kann und dann hier ein bisschen mit Chaos aufräumen kann. Also Tiere, die hier keinen Namen oder nur die Fantasienamen der Händler haben bekommen durch Abgleich einen Namen.

    Hast Du denn mit Studenten zu tun? Vielleicht kann man die mehr motivieren? Zitat "Wenn Studenten in ihrer Abschlussarbeit Centrobolus sp. Mosambik beschreiben wird es auch nicht einfacher für diese nachher einen Job zu bekommen." Und warum ist das so?
    Und ist der Catalogue of life nun was "Richtiges" zum Nachsehen? Zumindest, ob die Namen so stimmen, wie man sie kennt?
    LG Karola
    PS: Ich freue mich sehr, dass ich das Thema mal wieder hochbringen konnte, denn das reizt und interessiert mich wirklich sehr.

  • Hallo Karola,
    Peter hat natürlich recht, ohne ein gut konserviertes Männchen geht eigentlich nichts, es sei denn es ist eine gut bekannte Art.
    Ich wollte ausführen dass es selbst mit gut konserviertem Männchen nichts wird, falls es keine gute Beschreibung gibt, oder die Art sogar noch unbeschrieben ist.
    Catalogue of Life ist für Tasuendfüßer nicht das Gelbe vom Ei, auch da gibt es Fehlbestimmungen, zu 80% stimmt es aber.

  • Hallo Thomas!

    Dann gehe ich mal einen Schritt zurück: wie ist es denn mit der Bestimmung von Tausendfüßern, die nur für uns unbekannt sind, aber vielleicht schon bestimmt sind? Ich denke da zum Beispiel an "Colossobolus giganteus" und "Colossobolus litoralis", die von (fast allen) Händlern so genannt wurden, aber auf keinen Fall welche sind. Wenn man da eingeschnapste oder getrocknete Männchen hat, kann man dann anhand der Gonopoden schon beschriebene Arten abklappern, ob die schon beschrieben wurden? Oder ist das auch so schwierig?

    Lg Karola

  • Hallo,
    das geht, wenn von der Art die Gonopoden bereits irgendwo abgebildet wurden, relativ schnell.

    Das Problem ist, das zB von den Spirostreptida Madagaskars, für etwa ein Drittel der Arten solche Abbildungen nicht existieren. Weitere 80% der Arten sind noch nicht beschrieben. D.h. die Chancen einen madagassischen Spirostreptida zu bestimmen ist 12-13%.

    Die Händler benutzen diese Colossoblus-Namen nur aus Marketinggründen, die wissen dass es keine Colossoblus, ja noch nichtmal Spirobolida, sondern Spirostreptida sind.
    Viele Grüße
    -Thomas

  • Hallo ,
    hier gibt es Photos von Colossobolus. Habe die selber nie lebend gesehen. Die meisten sehen aus wie größere Epibolus-Weibchen, eventuell mit etwas mehr rot. https://zookeys.pensoft.net/article/2037/

    Ich habe keine Ahnung wie die Händler an ihre Fantasie-Namen kommen (zB auch Aphistogoniulus polleni, schon lange ein Synonym, und überhaupt die falsche Bezeichnung für einen Spirostreptiden). Auch die Herrkunft. Hatte mal einen Paradoxosomatiden aus Benin - war dann doch Borneo.
    Schaut mal wie viele Aphistogoniulus noch unter A. corallipes angeboten werden und wie viele richtig unter A. hova.
    Ich habe die Händler sowohl persönlich angesprochen als auch angeschrieben -die Reaktion war "es ist ja ein Photo dabei". Kein Interesse die Namen zu ändern.
    Nicht wirklich eine Motivation die Arten im Handel zu bestimmen.

    Vor ein paar Jahren war das noch anders, da haben die Händler einem Männchen geschenkt mit der Bitte um Namen.

    Viele Grüße
    -Thomas