Sexualdimorphismus

  • Guten Abend,

    ich hab' mir eben, wie ich so im Wohnzimmer meine beiden Neuzugänge beobachtete (ein Epibolus pulchripes-Pärchen - danke, Shura :)), so meine Gedanken gemacht und zwar:
    Es sind die ersten Tausis die ich zu Gesicht bekomme, bei denen sich die Weibchen äusserlich recht deutlich von den Männchen unterscheiden - das hat mich erstmal wirklich verwundert O.O .

    Bei welchen Tausi-Arten kommt das noch so vor?
    Und vor allem: Warum eigentlich? Welcher Sinn steckt dahinter, was hat sich die Evolution "dabei gedacht"?
    *grübelnd kopfkratz*

    In den meisten Fällen (Enten ^^) erkläre ich mir sowas damit, dass das Männchen zum Beispiel mit seinem bunten Federkleid das Weibchen beeindrucken will.
    (...Den Fall homo sapiens kann ich mir allerdings auch nicht so ganz erklären... ^^) (noch weniger allerdings eben bei "niedere" Tierarten...).


    *gespannt auf Erklärungsmodelle*

  • ...also warum das nun bei Tausis so ist, würde mich auch interessieren. Immerhin können unsere Vielbeiner nicht sonderlich gut sehen und Farben riechen klappt auch nicht so gut denke ich ^^!
    Was sich da die Evolution wieder bei gedacht hat...

  • Ich habe mir da auch schon Gedanken gemacht darueber und wage mal eine wilde Spekulation(ohne wissenschaftlich basierte Fakten, nur so ne Idee).

    Die Sehleistung der Fuesser sind bei der Partnerfindung ja wohl nahezu zu vernachlaessigen.
    Gehen wir davon aus, dass bei der Partnerfindung im hohen Masse Pheromone daran beteiligt sind und bei Kontakt ueberwiegend sensorische Faehigkeiten (betasten) gefragt sind.

    Nun die Spekulation:
    Koennte nicht die Moeglichkeit bestehen, dass durch das andere "Aussehen", sprich eine andere Oberflaechenstruktur des Exoskelettes(optisch als "matteres" Aussehen) des Weibchens dem Maennchen die Sicherheit gibt, dass es sich wirklich um eine Epibolus Dame handelt, also durch Betasten der Oberflaeche eine bessere Spezifikation des mgl. Paarungspartners vorgenommen werden kann?
    Moeglicherweise sind gerade bei dieser Art die sensorischen Leistungen im Bereich der Pheromonerkennung geringer ausgepraegt als bei anderen Arten und dieses wird durch den "Marker" der Oberflaeche des Weibchens wieder ausgeglichen?

    Is nur so ne Idee, wie gesagt...haltet mich nicht fuer vollkommen weired


    LG,
    Shura und die ganze Bande

  • Sehr Interessante Frage und ein schöner Ansatz Shura.

    Pheromone spielen bei Tausendfüßern auf jeden Fall eine Rolle bei der Partnerfindung mittles Pheromonen. Allerdings befinden sich eine Vielzahl von anderen Rezeptoren auf der Antenne, wie z.B. Chemo- und Mechanorezeptoren, wodurch das Männchen das Weibchen möglicherweise auch anhand anderer Moleküle erkennen könnte. Durch Experimente, wo die Antennen des Männchens amputiert wurden, wurde auch nachgewiesen, dass die Antennen eine wichtige Rolle bei der Partnererkennung spielen.
    Bei Epibolus pulchripes allerdings glaube ich, dass sie nicht so spezifisch ihr Weibchen finden wie es bei anderen Arten der Fall ist. Nach Berichten von Haltern, eigenen Erfahrungen und Berichten aus dem natürlichen Lebenraum, vergreifen sich die Männchen auch sehr gerne an Weibchen anderer Arten, wie z.B. von A. gigas.
    Der optische Sinn spielt wahrscheinlich bei der Einleitung der Paarung eine gewisse Rolle, da das Männchen dem Weibchen seine [lexicon]Gonopoden[/lexicon] präsentiert.

    Zurück zur eigentlichen Frage. Bei Epibolus handelt es sich nicht um einen Geschlechtsdimorphismus, sondern um einen Geschlechtsdichromatismus (hatten wir schon mal in einem älteren Beitrag). Meine Vermutung wäre die, dass sich die unterschiedlichen Färbungen aufgrund einer unterschiedlichen Lebensweise der adulten Geschlechter entwickelt hat. Die Männchen sind wesentlich aktiver durch die Suche nach einem Weibchen, sprich Männchen muss zum Weibchen, nicht umgekehrt. Das sieht man auch sehr deutlich daran, dass die Männchen längere Beine besitzen als die schwerfälligeren Weibchen mit kürzeren Beinen. Die Männchen suchen einen Partner und wandern dabei sogar tagsüber umher und setzen sich dabei der Gefahr aus von einem Fressfeind erbeutet zu werden. Durch die auffälligen roten Beine und dem glänzenden schwarzen Körper signalisieren sie sehr deutlich: " Lass mich in Frieden, ich bin ungeniessbar/giftig!!!".
    Die matten Weibchen mit den weniger rot gefärbten Beinen hingegen sind durch ihre Färbung eher unauffälliger bei ihrer versteckteren Lebensweise und erhalten dadurch einen Vorteil.

  • danke für die erklärung!
    das ist ja interessant, gefällt mir - das halbe leben damit verbringen, weibchen hinterherzurennen und dabei dann auch noch unterstützung von mama evolution bekommen. (ich überlege noch, inwiefern ich das auf manche männliche exemplare des menschen übertragen kann *hihi*.)

    (und wen's interessiert - hier ist der angesprochene frühere beitrag:
    Geschlechtsdichromatismus bei T. aoutii)

  • Hey zusammen,

    ich finde alle Ansätze sehr interessant, sind ja scheinbar viele Hobbybiologen unterwegs. Ich bin ja auch nicht mehr und nicht weniger :)

    Ich habe aber zu Peters Beitrag noch eine Frage. Ich finde beim ersten Mal lesen klingt das so, als seien die Männchen und die Weibchen jeweils eine Population für sich, die sich weiterentwickeln.
    Ich kenne etwas das Beispiel der kleinen Population von Birkenspannern, die in einem Gebiet mit viel Industrie schwarz wurden, da die schwarz mutierten Exemplare besser an die oft dunkel gefärbten Birken in dieser Region angepasst waren und sich so durchsetzten. In diesem Beispiel sind aber sowohl Männchen als auch Weibchen mutiert und haben dann die Gene weitergegeben.

    Bei der Befruchtung erhält die F Generation doch Gene von beiden Partnern. Ist es da nicht wesentlich schwieriger eine Mutation durchzusetzen, angenommen das Weibchen bleibt unverändert und nur das Männchen enthält mutierte Gene?
    Kann aber auch sein, dass ich gerade auf dem Schlauch stehe und einen Denkfehler drin habe....

  • Hi,
    Ich helfe dir mal vom Schlauch runter ;)

    Diplopoden verfügen auch über das System der Heterogametie, sprich außer den doppelten Chromosomen (Diploidie) unterscheiden sich in vielen Spezies Männchen (XY) und Weibchen (XX) durch Geschlechtschromosome. Leider weiß ich nicht genau ob bei Diplopoden eine männliche oder weibliche Hetergametie vorliegt ?(
    So können z.B. Mutationen auf dem Y Chromosom von Männchen zu Männchen weitervererbt werden. Liegt eine Mutation nicht auf den Geschlechtschromosomen vor, so sind sie auch bei beiden Geschlechtern vorhanden (unter bestimmten Vorraussetzungen).

    Bei Homo sapiens sapiens unterscheiden sich ja auch Männchen und Weibchen, oder? ;)

  • Hey Peter,
    danke für den kleinen Schubser vom Schlauch runter... :)

    Sowas in die Richtung mit X und Y Chromosomen hatte ich mir zwar gedacht, habe in meinen Überlegungen aber nicht bedacht, dass ja durch das Y-Chromosom auch vererbt werden kann...